20. Oktober 1962: Die Serie „Nacht über Wanne-Eickel“ endet nach der 170. Folge. Die WAZ-Redaktion um den damaligen Lokalchef Fred Wolf schließt ein einmaliges Tagebuch mit dem letzten Kapitel, der Kapitulation Wanne-Eickels am 9. April 1945. Mehr als acht Monate lang haben nicht nur die Redaktionsmitglieder, sondern Hunderte von Wanne-Eickelerinnen und Wanne-Eickelern die bitteren Jahre des Bombenkrieges zu Protokoll gebracht. Heute, 60 Jahre nach Kriegsende, kann dieser kollektive Bericht endlich als Buch veröffentlicht werden. Der Zufall half.

Als die Serie 1962 in unserer Familienzeitung erschien, hatte ich sie nicht wahrgenommen mit meinen acht Jahren. Bei den älteren Lesern der WAZ hatte sie aber einen Nerv getroffen. Als „Nacht über Wanne-Eickel“ endete und aus der WAZ verschwand, wanderte die Serie ins Archiv und wurde in der Erinnerung der Redakteure, deren Aufgabe ja die Tagesaktualität war, immer blasser. In den Köpfen mancher Bürgerinnen und Bürger lebte die Erinnerung aber weiter. Gelegentlich wurde die Serie in anderer Literatur zitiert oder erwähnt. Und den Ordner mit allen 170 Folgen bekamen bisweilen engagierte Lehrer oder Schüler im Stadtarchiv an die Hand, wenn sie nach dem Bombenkrieg in ihrer Heimat fragten. Hätte ich einem dieser Schüler im Herbst 2004 nicht mal zufällig über die Schulter geblickt, gäbe es dieses Buch nicht.

In seinem Vorwort zur 100. Folge dachte Fred Wolf darüber nach, „Nacht über Wanne-Eickel“ als Buch zu veröffentlichen, verwarf diesen Gedanken aber wieder mit der lapidaren Feststellung, dass die Produktion zu teuer würde. Diese Rahmenbedingungen haben sich nicht grundlegend geändert – aber die journalistische Herausforderung lag nun auf dem Tisch. Also nahm ich sie an.

Womit eine mühsame Arbeit begann. Viele Abschnitte der Serie waren nachgeschobene Ergän­zungen, Korrekturen, die nicht chronologische Wiedergabe von Briefen und Tagebuchauf­zeich­nungen. Manche Schilderungen gingen unglaublich ins Detail, andere beschränkten sich auf dürre Fakten. Da ich kein Historiker, sondern Journalist bin, habe ich mich auf journalistische Eingriffe bei der Buchproduktion beschränkt. Die hier vorliegende Fassung entspricht vom Umfang her etwa 60% der Originalfassung. Um möglichst wenig Streichungen vorzunehmen, habe ich manche umfangreichen Schilderungen zusammengefasst. Damit die Brüche für den Leser so unmerklich wie möglich ausfallen, sind sie dem Duktus der historischen Serie folgend in die Texte eingepasst.

Das Buch ist im Gegensatz zur Serie nun chronologisch aufgebaut, alle Versatzstücke wurden an die richtige Stelle gerückt. Die Charakteristik der Serie, insbesondere der Sprachstil, ist weitestgehend beibehalten worden. Auch die Überschriften und Zwischentitel orientieren sich am Original. Anmerkungen des Herausgebers sind kursiv gesetzt. Ebenso sind alle heutigen Straßennamen kursiv und in Klammern angeführt. Alles, was einen Bezug auf 1962, den Erscheinungstermin der Serie hatte, wird erläutert oder in eine aktuelle Beziehung gebracht. Für dieses Buch wurde die Serie redaktionell um knappe Chroniken der jeweiligen Kapitelzeiträume ergänzt. Diese Chroniken in den Infokästen zu Beginn der Kapitel skizzieren in der linken Spalte die globalen Ereignisse, rechts die Vorkommnisse in Wanne-Eickel.

Im Rahmen der Serie wurde 1962 auch eine Fülle von Bildern veröffentlicht. Mehr als 200 Motive konnte die WAZ ihren Lesern zeigen. Etwa die Hälfte dieser Bilder stammte aus dem Stadtarchiv, die andere Hälfte wurde der Zeitung von Lesern und Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Leider wurden die Fotos bei der WAZ nicht archiviert, die technischen und finanziellen Möglichkeiten waren damals in Lokalredaktionen nicht gegeben. Von den Fotos wurden Klischees angefertigt – und nach der Produktion der Zeitung wurden diese Druckplatten wieder eingeschmolzen. Der Versuch, die Bilder von den alten Zeitungsseiten zu reproduzieren, scheiterte an der unzureichenden Qualität.

In diesem Buch finden Sie nahezu sämtliche heute noch zugänglichen Fotos zum Bombenkrieg in Wanne-Eickel. Der größere Teil stammt aus dem Stadtarchiv. Ein kleiner Teil ist mir von Bürgern zur Verfügung gestellt worden. Und ein nicht unwichtiger Teil der Fotos stammt aus der Sammlung von Heinrich Lührig. Einige der 1962 abgedruckten Fotos sind heute nicht mehr auffindbar, dazu gehören leider auch Aufnahmen, die von der WAZ 1962 mit der Quellenangabe „Stadtarchiv“ veröffentlicht wurden.

Dafür sind in diesem Buch aber Bilder zu finden, die der WAZ seinerzeit nicht zur Verfügung standen. Nicht alle diese Fotos konnten in einen direkten Zusammenhang mit den historischen Zeitungstexten gestellt werden. Dennoch ergänzen sie dieses Buch als wichtige Zeitdokumente und Illustration der Zerstörungen. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass einige Bunkerfotos Motive aus Herne zeigen.

(...)

Wolfgang Berke

 

Obwohl es aus dem Rahmen meiner beiden Wanne-Eickel-Bücher und der Website herausfällt, möchte ich hier trotzdem dieses Buch vorstellen: Das Kriegstagebuch Wanne-Eickels, durch Zufall gefunden - und entgegen aller wirtschaftlichen Bedenken veröffentlicht. Hier ein Auszug aus dem Vorwort sowie vier Kapitel aus Nacht über Wanne-Eickel.

 

Wie dieses Buch entstand

10. Februar 1962: An diesem Tag beginnt eine Serie in der WAZ-Lokalausgabe Wanne-Eickel, mit der die „Geschichte des Krieges in unserer Stadt“ erzählt werden soll. Mit fünf Folgen pro Woche, mit einer Fülle an Dokumenten und Fotos, die von den WAZ-Redakteuren und -Mitarbeitern in monatelanger Arbeit zusammengetragen wurde und mit dem Wunsch, dass sich möglichst viele Leser an der Niederschrift dieses Kriegstagebuches beteiligen sollten. Wahrscheinlich war die Serie zunächst auf 30 bis 40 Folgen angelegt, was für eine Tageszeitung zur damaligen Zeit schon ein respektabler Umfang war.

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